Ungeduld



Vergänglichkeit
Wie oft kommt es vor. Wie oft kommt es vor, dass wir von der Zukunft reden – ohne auch nur einen Hauch von Gewissheit. Zukunft – diese Zeitform, die ich noch nie so richtig verstanden hab. Aber offen gesagt auch nie üben wollte. Texte in dieser grammatschen Form zu verfassen war mir schon immer ziemlich zuwider und hat auch nie wirklichen Sinn für mich ergeben. Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie oft kommt es vor. Kommt es vor, dass unsere Sätze vor hätte-wenn-und-aber-Floskeln überschwappen und wir uns in deren Bedeutungen wie Langstreckenschwimmer durchkämpfen müssen. Klar ist es auch nur eine breit getretene Aussage, aber wie oft kommt es vor. kommt es vor, dass du am Ende eines Tages resignierst, weil schon wieder so viel auf der Strecke geblieben ist. Und plötzlich ist Mitte Juni und du realisierst, dass bis zum Sommer eigentlich so viel passieren sollte. So viel, was du dir wieder mal zu Silvester vorgenommen hast, mit der Gewissheit, dass alle guten Vorsätze nichts bewegen, wenn du dich selbst nicht bewegst. Dass du am Ende des Tages resignierst. Und dann sollst du Texte im Futur schreiben und weißt genau – wie oft kommt es vor. Und na klar ist es nur eine durchgekaute Aussage, aber jeden Tag zu nutzen klingt irgendwie doch gar nicht so falsch. In Anbetracht der Tatsache, dass sich alles anfühlt, als wärst du unterwegs – mit 200 Sachen auf der Autobahn. Im Dunkeln. Und jedes Mal, wenn du blinzelst oder kurz woanders hin schaust, geht etwas ungesehen an dir vorüber. Ob ich so etwas bereue? Ich bereue nichts – aber manchmal wäre ein Tag mit mehr als 24 Stunden schon ganz schön. Oder ohne Schlaf. Ja na klar bin ich noch jung, na klar hab ich noch Zeit. Aber niemals Zeit, um das aufzuholen, was ich jetzt verpasse, was ich nicht sehe, was ich übersehe. Hätte-wenn-und-aber-Floskeln. Abends, am Ende des Tages. Resignation. Die Stunden zwischen den Tagen, wenn du nicht genau definieren kannst, ob du nun Gute Nacht oder Guten Morgen sagen sollst, weil du irgendwie noch einen Fuß im Traum, den anderen schon im Tag hast, diese Zeit ist kostbar. Weil in ihr alles ein bisschen relativ ist und die Grenzen komisch unklar, verwischt, verlaufen sind. Auf eine seltsame Art und Weise fühl ich mich in diesen Stunden ein bisschen freier als sonst.
„Freiheit – das einfältige Mantra unserer Zivilisation. Aber nur diejenigen, denen sie genommen wurde, wissen, was Freiheit überhaupt bedeutet.“ (Timothy, Cloud Atlas)
Wenn ich mit Freunden meiner Eltern darüber rede, dass irgendwie alles so schnell vergeht, sagen sie immer mit einer leichten Melancholie in der Stimme, dass ich doch noch alle Zeit der Welt hätte. Natürlich haben sie Recht. Aber was wäre, wenn ich mich jetzt mit meinen 17 Jahren vor dich stelle und dir sage, dass ich weiß, dass alles vergänglich ist? Dass Zeit relativ ist und nur so viel wert ist, wie man von ihr nutzt? Dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt und meistens zurückhaltend ist? Dass die offensichtlichsten meist die langweiligsten Dinge sind? Und dass ich glaube, dass nichts ohne Grund passiert? Dass ich nicht gläubig bin, aber an ein Leben nach dem Tod glaube? Dass ich glaube, dass die Liebe das größte Phänomen der Erde ist? Dass sie durch die Zeiten überleben kann? Dass wir uns alle irgendwann irgendwo wieder treffen? Und dass ich im Grunde ein sehr rationaler Mensch bin? Ich glaube nicht an das Übernatürliche und ich hasse Fantasy-Geschichten. Dass ich Fotografie für die größte Kunst halte und Kleidung eine Art ist, sich selbst auszudrücken? Und dass ich glaube, dass jeder etwas zu sagen hat? Und dass darin unser jeder tieferer Sinn liegt? Was ist, wenn ich dir sage, dass ich glaube, dass jeder von uns dafür geschaffen ist, die Welt zu verändern? Jeder auf seine Weise – mit Worten, Taten, Existenzen, dem Alltag. Was wäre, wenn die Erde nur existiert, weil wir sie sehen? Würde es im Kosmos dunkel werden, wenn mit einem Mal alle Augen verschwinden würden? Dass ich im Grunde ein sehr rationaler Mensch bin! Wie oft kommt es vor. dass alles vergänglich ist. Aber was wäre, wenn ich mich jetzt vor dich stelle und dir sage, dass ich das weiß? Was würdest du von mir denken, wenn du all das von mir wüsstest? Würdest du vielleicht beginnen, mehr zu sehen? Am Abend, am Ende des Tages. Ohne Resignation. Und würdest dir vielleicht die Ohren zu halten, dir auf die Zunge beißen, wenn hätte-wäre-wenn-und-aber. Wie oft kommt das vor?  
Ja na klar bin ich noch jung, na klar hab ich noch Zeit. Aber niemals Zeit, um das aufzuholen, was ich jetzt verpasse, was ich nicht sehe, was ich übersehe.
Dass ich im Grunde ein sehr rationaler Mensch bin!
Was wäre, wenn ich glaube, dass jeder Mensch etwas zu sagen hat?
Was wäre, es wenn es nicht Vergänglichkeit wäre?

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