pleasure

Ein guter Film. Freunde. Tanzen. Musik. Verstanden werden. Freiheit. Familie. Lange Gespräche. Sonne. Zufall. Sommerabende. Etwas, das mich ausmacht. Reisen. Kochen. Fotografieren. Kleidung. Essen. Konzerte. Lächeln. Bücher. Auf mich stolz sein können. Liebe. Mut. Hip Hop. Subjektivität.

Glück. Irgendwie etwas ganz alltägliches. Aber je mehr man darüber nachdenkt, desto komplizierter wird es. "Da hab ich aber Glück gehabt" wird schnell mal verwendet, ohne groß darüber nachzudenken. Aber ist man tatsächlich glücklich oder hat man nur Glück gehabt? Und wo genau liegt der Unterschied zwischen Glück haben und glücklich sein? Kann ich, obwohl ich weine, glücklich sein? Wie kann ich Glück definieren? Als wir heute wohl wieder eher Philosophie als Ethik hatten, ging es um Glück. Mit allem, was dazu gehört.

PLEASURE (Reckoning-Text auf Julia Engelmanns Poetry-Slam)

Eines Tages werden wir alt sein und zurückschauen, auf das was war und wir uns gewünscht haben, was da eigentlich hätte sein sollen. Wir werden zurückschauen und nicht mehr wissen, was von unseren damaligen stillen Wünschen beim Kerzen auspusten oder beim auf dem Rücken liegen und nach Sternschnuppen gucken tatsächlich geblieben ist und was wir davon versucht haben, zu erfüllen. Wir werden da sitzen und ohne Ausdruck in das Feuer starren, mit dem Wunsch, sich doch noch einmal verrückte Dinge wünschen zu können. Wünsche wie die, an die wir uns schon nicht mehr erinnern, die beim Lagerfeuer in die Glut oder in irgendwelche Ohren geflüstert wurden und am nächsten Morgen nur die Asche von gestern bleiben sollten. Wir werden da sitzen und uns an Momente erinnern oder auch nicht, in denen so mancher Mut gefehlt hat und wir sitzen jetzt da und wünschen uns, rückblickend den Mut doch noch aufzubringen, für Situationen, die damals irgendwie belanglos schienen. Damals, als wir jung waren und umherschwammen, pendelten, zwischen viel zu vielen Betten, hofften, auf die ganz ganz große Liebe und gingen doch am Morgen wieder, weil im Dunkeln alles irgendwie weniger war. Weniger sehen, weniger Hemmung, weniger Stolz, weniger Kopf. Ja, hätten wir doch mal. Hätten wir mal von allem mehr und wären wir mehr gewesen, wie die ganzen Helden aus den Filmen und auch ein bisschen mehr, wie die, die wir hätten sein wollen. Jetzt sitzen wir da und betrachten Subjektives objektiv und hoffen auf das Beste, auf den allerletzten Wunsch, den wir irgendwie wie damals noch ins Feuer nuscheln und glauben an ein bisschen Glück. Glück, das wir damals so dringend wollten und angeblich nie bekamen. Glück. Das waren kleine Zettel, die wir irgendwo im Wald vergraben haben und anschließend nachts im Bett noch wach gelegen haben, um vom vielen Glück zu träumen und von allem, was wir jemals erreichen werden. wollen doch nur auch ein bisschen mal vom Kuchen beißen und danach die Lippen lecken, im Verlangen nach noch mehr und größerem und besserem. Wir wissen ja, wie schädlich der Vergleich für Glück am Ende ist. Nächtelang gemalt, an Bildern. Mit den Farben unsrer Zukunft, wohin es geht und was wir haben. werden wollen und wir dachten große Pläne, um das Glück weit weg zu suchen und die angeblich so schwere Last blieb auf der Strecke, nur um den Horizont mit schnellen Gedanken zu berühren. Verglühen die Lichter, die uns aufgehen nach jedem neuen Fehler, sehen wir es als ein Feuerwerk und sonnen uns darin. Dabei sind es nur die Funken von den vielen leisen Wünschen, damals aus dem Lagerfeuer, die schimmernd auf uns fallen, um uns zu erinnern, wir waren immer schon die gleichen. Glück allein, das wird nicht reichen. Wissen ja, dass wir drauf hoffen, aber wissen eigentlich nicht im Geringsten, woran wir es erkennen. Ist das vielleicht ein Anagramm von Glück? Oder ist das nur ein Wolf als Schaf? Wo in dieser Yolo-Leere sollen wir finden, woraus Glück für uns besteht? Denn eines Tages werden wir alt sein und auf all die Dinge schauen, die wir uns grad verbauen. Also lass uns jetzt mal etwas mehr Glück wünschen und so leben, dass wir später Geschichten zu erzählen haben und nicht da sitzen und rätseln, was da draußen noch so alles ist. Lass uns den Tag zur Nacht machen, oder auch die Nacht zum Tag, lass uns rebellieren gegen unsere konservativen Spießer-Gedanken und lass uns mal mehr an Wunder glauben. Glück ist Zufall und oft einfach nur im subjektiven zu betrachten. Lass uns mehr ins Detail gehen und weniger alles richtig machen. Lass uns Fehler machen und mehr aus ihnen lernen, als wir jetzt gerade tun. Lass uns mehr sehen, als wir können und noch mehr atmen, um zu singen. Lass den Anfang wieder schwerer werden, als das dranbleiben danach. Lass uns Beständigkeit lieben und weniger nach mutlos klingen. Und lass uns lachen und uns lieben, auch ohne Ring und Kamera und lass uns so leben, dass wir noch in Zukunft drüber reden. Lass uns laut sein und unser Glück selbst definieren und selbst im Unglück weiter tanzen, um mehr als den ersten Schritt zu gehen. Also ja, lass uns leben und mit ein bisschen Glück die Tage mehr verändern, als wir es sonst immer wollten. Lass uns glücklich sein. Lass uns leben mit allen Dramen und allem extra Drumherum. Auf den Dächern sein, ist klar sehr cool und irgendwie rebellisch, aber auch auf Dauer etwas kalt. Also lass uns mit den Füßen auf dem Boden bleiben, aber mit dem Kopf über den Wolken sein und erkennen: das Leben heißt, dein Buch zu schreiben und ein bisschen an Wunder zu glauben.
(Gianina Morgenstern) 






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